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Tschetschenien / Inguschetien 2001

3 Monate Einsatz im Nord-Kaukasus
zur Hilfe an die Tschetschenien-Flüchtlinge in Inguschetien

Als Mitglied des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SHH, früher SKH) September – November 2001 im Einsatz für die UNO Flüchtlingshilfe (UNHCR)

SKH-103

Eigentlich ging es darum, in der (ebenfalls zu Russland gehörenden) Republik Inguschetien lokale Wasserversorgungen soweit auszubauen, dass auch die Flüchtlinge aus dem benachbarten Tschetschenien mit sauberem Trink- und Brauchwasser versorgt werden können. Der schon einige Jahre dauernde Krieg hatte bis zu diesem Zeitpunkt schon gegen 100’000 Menschen zur Flucht gezwungen. In Inguschetien, dessen Bevölkerung mit den Tschetschenen ethnisch eng verwandt ist und weitgehend die gleiche Sprache spricht, lebten die Flüchtlinge grösstenteils in Zeltlagern und grossen Landwirtschaftsgebäuden, beides in oft desolatem Zustand.

 

Der Ausbau der Wasserversorgungen wurde deshalb schnell zweitrangig; viel wichtiger war im Moment die Vorsorge für den kommenden Winter zu gewährleisten: Reparatur der nach 2 oder mehr Wintern stark beschädigten Militärzelte, Abgabe von Baumaterial zur Reparatur der improvisierten Behausungen in alten Gebäuden, Abgabe von einfachsten Elektro-Kochstellen, Hygiene-Artikeln, . . .  bis hin zur Essensausgabe. Ausgeführt wurden diese Aufgaben durch inguschische Angestellte des UNHCR, ich musste so gut als möglich organisieren, kontrollieren und rapportieren.

In der Praxis gestaltete sich diese Arbeit oft als kaum durchführbar: Wegen der nach Entführungen sehr angespannten Sicherheitslage waren alle internationalen Hilfsorganisationen in Wladikavkas, Hauptstadt der benachbarten Republik Nord-Ossetien, stationiert und auch dort ständig bewacht. Jeden Morgen fuhren wir im Schutz von Sicherheitstruppen  nach Nasran (Inguschetien), bezogen dort in einem geschützten Quartier unsere Häuser und versuchten von dort aus zu arbeiten. Feldbesuche waren nur möglich, wenn ein Fahrzeug mit Fahrer sowie ein begleitendes Fahrzeug mit mindestens 3 Sicherheitsleuten frei war. Es gab Tage, an denen das  nie der Fall war; da auch die Telefonverbindungen häufig nicht funktionierten, war man sehr häufig einfach zur Untätigkeit gezwungen. Daneben war auch ersichtlich, dass einzelne lokale Mitarbeiter in erster Linie wegen der guten Bezahlung hier waren und daraus auch ihre persönlichen Vorteile nutzten.
Bei den Feldbesuchen lernte ich die prekäre Lage der Flüchtlingsfamilien kennen, die im Sommer die drückende Hitze und im Winter Regen und Schlamm  fast unerträglich machte. Dazu bei jeder Begegnung die kaum erfüllbare Hoffnung der Menschen, dass ich ihnen auf Grund ihrer Erzählungen nun bald Hilfe bringen würde . . .

Ebenfalls wegen Entführungsgefahr musste ich alle 10 Tage für  2 1/2 Tage nach Moskau fliegen; wenigstens konnte ich dort das normale Leben geniessen. In Vladikavkas selber lebte ich im einst besten Hotel der Stadt im dritten Stock als einziger Gast auf dieser Etage mit permanent einem bewaffneten Mann vor meiner Tür, der mich immer auch zum Essen im fast leeren Speisesaal begleiten musste . . . 
Ein Spaziergang in die Stadt wurde mir vom indischen Sicherheitsoffizier erst nach mehreren Anläufen erlaubt – in Begleitung von 3 bewaffneten Sicherheitsleuten.  

Insgesamt eine total unbefriedigende Situation mit sehr viel Frust-Potential !

Beim definitiven Abschied nach 3 Monaten blieb vom ursprünglichen Optimismus wenig übrig. In Tschetschenien dauerte der brutale Kleinkrieg weiter, und die humanitäre Situation versprach kaum eine Besserung. Entsprechend kritisch fiel denn auch mein Schlussbericht an das UNHCR in Genf aus, der einige Tage nach meiner Rückkehr beim Debriefing in Genf gemeinsam diskutiert wurde und dem schliesslich einen Besuch der UNHCR-Zuständigen in Vladikavkas folgte. Inwiefern es etwas bewirkte, habe ich nie erfahren . . . 

Für mich blieb es letztlich eine sehr eindrückliche Erfahrung, wie hart und unerbittlich Macht und Gewalt das Leben einfacher Menschen und ganze Gesellschaften zerstören kann und wir in unserem Wohlstand das hinnehmen. Und immer wieder überschatten diese Erinnerungen meine vielen Reiseeindrücke aus diesen drei Monaten.
Deshalb verfolge ich weiterhin die Nachrichten aus dem Nordkaukasus;  es ist zwar ruhiger geworden, aber es ist eine trügerische Ruhe .

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